Samstag, 10. April 2010

Der Taxifahrer

'Ich bin ganz ruhig. Ich könnte jetzt sterben und ich weiß auch, dass der Mann neben mir genau weiß was er tut.' So kann man bei vielen Taxifahrten empfinden und dann tritt man am besten nicht allzu feste die gedachte Bremse im Fußraum der Beifahrerseite, denn es könnte sein, dass die Karosse das nicht mitmacht und man tatsächlich mit dem Fuß bremst. Also schließe ich die Augen für einen Moment und überlege, ob ich hier Allah gegenübertreten muss oder, ob sich Petrus um mich kümmert. Ihr glaubt ich übertreibe? Irrtum.
Es handelt sich hierbei um den Beruf des Taxifahrers, nicht um Selbstmordattentäter, wie ich kurz dachte. Diese Leute fahren entweder Teilzeit oder Vollzeit (12-14 Stunden am Tag) Taxi und verschaffen sich so einen Teil ihres Lebensunterhalts – Fahren ist ihre Profession. Sie machen ihren Job verdammt gut und ich fühle mich mittlerweile selbst in brenzligen Situationen sehr sicher, dass sage ich, als Schisser, der Angst davor hat, die Kontrolle zu verlieren. Eine gute Therapie also. Augen auf und dran gewöhnen und ‚er‘ weiß wirklich immer was er tut.
Verkehrsregeln gibt es keine, so scheint es aber der Kaireener ist nahe dran, im Chaos ein System zu finden, dessen bin ich sicher. Man fährt mit Hupen, was nicht blöd ist, nur laut, weil es jeder macht und es gibt da diese unzählige Variationen von Hupen: Achtung! Bin neben Dir! / Ich überhole jetzt! / Pass doch auf! / Blödmann! / Hallo! / Fußgänger lauft! / … Man fährt hier wie ein Wal der sich mit Ultra- oder Infraschall bewegt aber eben hörbar. Noch habe ich den ganzen Hup-Code nicht geknackt.
Am Spiegelgebammsel erkennt man den Moslem oder den Kopten, denn dort hängt entweder eine Gebetskette mit oder ohne Kreuz inmitten von Duftbäumen aller Couleur, Blumenkränzchen und familiären Devotionalien. Oftmals gehört auch zum guten Service die Lautsprecher laut aufzudrehen damit, wenn es nur laut genug ist, man auch verstehen kann, was gesagt oder gesungen wird. Lautstärke ist aber ein anders Thema. Manchmal gibt es Rotlicht im Taxi oder es ist schwarz, dann weiß man, dass man sich besser anschnallt, denn der Fahrer ist dann unter 30 und legt großen Wert auf Maximaltuning seiner Karre sowie auf einen maximalschnellen Transport.
Den Ort, an dem man gebracht werden möchte, sagt man erst durchs immer offene Fenster, sonst fährt man einfach und plötzlich versteht der Fahrer gar nicht mehr wo es hingehen soll. Einige sprechen englisch, was nicht heißt, dass man es einfach haben muss. Geschickt manövriert ‚er‘ sein Fahrzeug durch die Enge der Straßen und macht zur Not auch noch eine neue Fahrspur auf, wo keine ist. Man flutscht durch den Verkehr wie ein Körnchen durch eine Sanduhr.
Es gibt blaue Taxis, die sind überpünktlich und gut geeignet für den Transport zum Flughafen, kosten aber auch mehr und man muss sie 24 Stunden vorher anmelden. Es gibt die Gelben die auch teurer sind, die kenne ich aber noch gar nicht. Es gibt die Weißen, deren Tacho auf E.G. 2,50 stehen wenn man einsteigt und es gibt die Schwarzen die entweder kein Tacho haben und man muss vorher den Preis aushandeln, diese sind dann auch die richtig alten schunkeligen Kutschen, urig und die Armaturenbretter sind bezogen mit Kunst-Fell, Decken oder einem Teppich, auf dem ziemlich viel Geschangel rumsteht. Gerne befindet sich auch ein Behälter mit einer Ölkomposition darauf, der die Nase des Transportierten erfreuen soll. Die Bretter gleichen einer Miniaturbühne eines indischen Musicals, dazu dann gut sichtbar der Koran und die obligatorische Tissue-Box, bezogen mit Fell oder Kissen als Sofa getrant oder als Piano oder sonst was. Wenn man hinten sitzt bekommt man manchmal noch mehr Plüsch, als man als Beifahrer schon aushalten kann, dann nämlich sind die Kopfstützen des Fahrers und die des Beifahrers mit Stofftiergesichtern bezogen. Also Monster oder spongebobähnlichem Ungetier, dass einen dann während der Fahrt nicht aus den Augen lässt.
Dann gibt es noch die schwarzen Taxis die auf weiß machen. Und die Weißen die auf Schwarz machen. Und die, die… Naja es gibt sogar 15.000 Erdgasbetriebe Taxis, die dem Smog aber auch nicht beheben können. Die meisten der schwarzen und weißen Taxis sind Peugeots, Fiats und Dacias. Die neueren Modelle kommen aus dem fernen Osten.
Ampeln gibt es und sie tragen auch die drei Farben, die wir kennen, dennoch haben sie eher die Aufgabe bunt zu blinken. Alles läuft und fährt gleichzeitig. Man kommt nur ohne Rennen über die Straße, wenn man den Blickkontakt zum Autofahrer hergestellt hat. Mikro-Busse allerdings sind im Auge zu behalten, die Fahrer haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Es gibt auch zwei U-Bahn Linien und eine weitere wird gerade errichtet. Verkehr total!
Die Preise für ein U-Bahn-Ticket belaufen sich auf 13 Cent (E.G. 1,-) und die Taxis nehmen entsprechend etwas mehr. Man kann gut von einer Seite des Nils auf die andere für weniger als € 1,50 fahren, wenn man denn nicht beschissen wird.
Die Themen der Taxifahrer sind zumeist Familie, Anliegen in Ägypten und natürlich Fußball. Meistens freue ich mich darauf, denn ich kann mit dem BVB angeben, der einen ägyptischen Spieler hat: Mohamed Zidan. Die älteren Fahrer fangen gerne mal mit Beckenbauer an, gut, dass ist schon meine Generation, aber ich war ja als Kind nicht wirklich mit dem Wunder des Balls vertraut. Also freue ich mich wenn ich dann begreiflich machen kann, dass ich sehr wohl den Herren Beckenbauer oder Rummenigge kenne.
Bis dann unerwartet: Ich höre: ‚Hitler Good‘ und mir geht die Kinnlade auf den Schoß. Klar, einige haben etwas gegen Juden und wir sind da ja mal historisch betrachtet in vieler Menschen Augen vorbildlich mit ihnen umgegangen. Ich versuche nun mit freundlichen Worten klar zu machen, dass ich das gar nicht billige was geschehen ist, aber ich werde nicht verstanden und zum ersten Mal fühle ich mich richtig unbehaglich.
Zu diesem maximalblöden Erlebnis gesellen sich aber auch lustige Taxi-Fahrten, bei denen man dann ganz unauffällig beschissen wird, dann wird plötzlich an der Uhr rumgefummelt und sie läuft schneller oder rast nahezu. Dem Nießer und dem Huster ist das hier auch passiert und sie sollten E.G. 62,- statt ca. E.G. 10,- zahlen. Tapfer sind sie ausgestiegen und haben dem Fahrer 10 gegeben, dann fuhr er hinterher und rief noch ‚Okay, dann eben zwanzig‘. Gestern habe ich mal wieder gestaunt, der Mann hat seine Uhr erst gar nicht angemacht und versuchte dann zu handeln und ich bin direkt wieder raus. Dem Nächsten habe ich das dann erklärt, weil er es beobachtet hat und er schüttelt den Kopf möchte aber Geld von mir für Frau und drei Babies. Ich versuche klar zu machen, dass ich nicht Krösus bin, aber was will man jemanden sagen, der ca. € 80,- in der Woche verdient. Klar bin ich reich, gemessen an ihm. Es gibt ein gutes Trinkgeld und wir beiden kneifen uns eine Auge zu.
Respekt für die Taxifahrer, versuchen sie auch noch mit jedem Trick einen auszunehmen, das gehört hier zur Unterhaltung und ein bisschen Beschiss tut uns auch nicht weh, wenn es um ein paar Kröten geht.

1 Kommentar:

  1. Hallo Pancho !

    Danke für das Mitnehmen im "welche Farbe auch immer" Taxi-es ist wie immer ein Genuß, vorm Schlafengehen nach Ägypten zu schauen und ein wenig einzutauchen in deine Erlebnisse.Du Guter! Weiter so und meine Engel fahren mit dir mit.Lieben Gruß !!!
    Katja

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