Wir haben uns am Midan Tahrir verabredet und sind dann von dort aus mit der U-Bahn nach Maadi gefahren. Von Maadi läuft man dann 20 Minuten die Nil Corniche südwärts hinab, um zu einer Feluken-Anlegestelle zu kommen. Die nächste U-Bahn Station ist El-Zahraa. Von der Corniche setzt man also mit einer alten Holz-Feluke über zu einer der vielen Inseln im Nil, im Bereich Kairo gibt es vier, die aber nicht immer auf Karten verzeichnet sind. Ich kenne jetzt drei davon, wollte aber unbedingt schleunigst zu dieser, sie heißt Gezirette Dahab (Goldinsel) und wahlweise Mouneeb. Um sie gibt es Geheimnisse und wenn man einen Kaireener fragt wo sie ist, dann bekommt man verschiedene Antworten bis hin zu: Nie gehört! Aber ich weiß, dass ich sie gesehen habe. Auf dem südlichsten Zipfel dieser sehr kleinen Insel stehen Pfeiler der Mouneeb Brücke die den Weg aus der Stadt heraus anbindet zu den Pyramiden. Beim vorbeifahren habe ich dort runter geschaut und es sah sehr ursprünglich und grün aus, rundherum an den gegenüberliegenden Nilufern allerdings sind Hochhäuser, also im doppelten Sinne eine Insel. Das reizte mich sehr einen erfolglosen Ausflug dahin zu starten, der ja auf dem halben Weg endete, denn es fing an zu regnen und nun habe ich Ahmed Ota, die Katze als Verstärkung, der gerne für die Übersetzung sorgt. In diesem Falle sogar auch im doppelten Sinne, also von einem Ufer ans andere und von Arabisch ins Englische.
Für 50 Piaster (etwa 8 Cent) lassen wir und in einer motorlosen Feluke rüberpusten und betreten das unbefestigte Ufer und wir werden von Ziegen begrüßt. Dann als nächstes kommt ein Mann um die Ecke auf dem Rücken eines Esels und so schnell kann ich die Kamera gar nicht startklar machen. Im Folgenden rennen die Esel immer nur durchs Bild mit Gepäck auf dem Rücken. Pferde, Gänse, Enten, Katzen, Hunde und Kühe kommen uns entgegen. Eine Insel der Landwirtschaft inmitten kaireener Hochhausgebäude, sehr skurril. Alle Karten einschließlich Google machen hier irgendwie schlapp. Nicht nur das man keine Straße sieht, denn es gibt ja keine, ergo kein Auto, auch befindet sich die Brücke zur Insel mal weiter im Süden, mal weiter im Norden, manchmal geht die Brücke über das Wasser ohne dass eine Insel zu sehen wäre. Vor 6 Jahren soll die Stadt die Stromversorgung gekappt haben, damit die Bewohner die Insel verlassen, denn sie ist ein Anwärter zur kompletten Umnutzung. Klar wäre das für Touristen toll auch noch von diesem naturbelassenen Stückchen Erde aus einem 40 Stöckigen Hochhaus zu schauen. Unbegreiflich diese Pläne, aber alle Gerüchte sind nicht fundiert, es handelt sich bei meinem Wissen nur um Halbwissen.
Stromgeneratoren laufen aber vereinzelt und es gibt sogar Handel auf der Insel, zwei kleine Einkaufsläden, wo man das nötigste bekommen kann. Und dann entdecke ich eine Stromleitung, also doch nicht alles so wahr,… es gibt auch Fernseher, die in den zum Teil aus Lehm, Kuhfladen und Holzbrettern gebauten Häusern flimmern.
Auf den Flächen wächst zumeist Mais, zwischen den Maisreihen gedeihen Tomaten und eine mir unbekannte Grassorte, die wahrscheinlich für die Tiere gut ist. Zudem gibt es jede Menge Kräuter und Gemüsearten. Zwischen den Feldern sind kleine Kanäle angelegt, die den Boden zwischen den Feldstücken bewässern. Mädchen sitzen draußen und nutzen diese Kanäle auch zum Spülen des Geschirrs. An einem Ende der Insel sehe ich dann auch die Müllkippe des Orts: Der Nil selbst, vor meinen Augen entleert sich ein großer Eimer mit Speiseresten und die duftige Masse gesellt sich zu einer toten Katze deren Buckel unter der Wasseroberfläche schwimmt. Ich bin froh, dass es kein Pferd ist, das wäre nicht ungewöhnlich. Die Pferde werden dann unter der Brücke dressiert zu so einer Art Tanz. Tanzende Pferde scheinen hier beliebt zu sein und sie hüpfen ein bisschen dösig auf der Stelle angetrieben durch den Peitschenknall ihres Dresseurs. Die Ziegen und die Kühe scheinen hier neben den Kids noch das angenehmste Leben zu haben. Die Kids selber wollen in steilen Posen fotografiert werden oder spielen Fußball. Beliebt ist auch hier der Autoreifen, mit dem man eine Menge Spaß haben kann. Jedoch uns folgen die Kinder an dieser Stelle nicht. Auch die Erwachsenen beäugen uns nur aus den Augenwinkeln. Man traut uns hier nicht, wir gehören hier nicht her, das spürt man und es ist auch nicht schlimm. Die Kinder die dann Richtung 13/14 Jahren sind packen schon auch kräftig mit an. Sie reiten die Esel oder dressieren die Tiere, ernten und pflanzen. Sie sind schon kleine Erwachsene die Verantwortung tragen. Allerdings in Frischluftatmosphäre und nicht wie die Kinder aus anderen Vierteln, die ich sah, die Blechnäpfe polieren und somit tagsüber im Dunkel leben. Klingt hoffentlich nicht wertend, denn mir steht es nicht zu das zu verurteilen, auch wenn ich mir eine bessere bzw. überhaupt eine Bildung für sie wünschen würde.
Aber zurück zur Insel. Unter der riesigen Betonbrücke lebt ein Mann in einem Haus und das ist so groß wie das Nicolaus-Haus. Also etwa 2qm. Da hat der Mann sein Quartier und er schaut mich an beim nähertreten und ich gebe zu verstehen, dass ich ihn fotografieren möchte und er nickt und mag das scheinbar. Ich verspreche Bilder zu bringen, wenn er das möchte und er nickt erneut.
An einer Uferseite zimmern mehrere Leute an einem alten Kahn rum, ein Fischereischiff, denn der Fischfang steht hier auch ganz hoch auf der Liste, neben Anglern und Netzauswerfern kann man eben auch Boot die Netze aufziehen beobachten. Der alte Kutter wird sicher wieder fit gemacht, dazu haben die Ägypter zu viel Training auf der Straße mit den Autos, die aus schätzungsweise sieben Jahrzehnten stammen. So viele VW Käfer sieht man sonst vielleicht noch in Mexico. Alle kleine Kutschen werden ständig und an fast jeder Straßenecke repariert, nicht dass es dafür auch ganze Viertel gäbe. Die Autos haben hier noch etwas mit Mechanik zu tun, man Probleme eben auch einfach beheben.
Von der Brücke über der Gezirette hängt ein Seil und an ihm befindet sich ein Korb, hier werden Dinge vom Festland kurzerhand transportiert.
Auf dem Rückweg eröffnet mir Ahmed dann, dass wir uns etwas beeilen müssen, denn seine Mutter und seine Familie erwarten uns zum Essen. Ahmeds Magen knurrt bei dem Gedanken und wir nehmen die Fähre zurück, müssen noch am Kodakladen vorbei um meine neuen Bilder abzuholen und Ahmed sieht sich darauf. Dann muss ich leider nochmals um einen kleinen Umweg betteln, denn bei so einer Einladung kommt man ja nicht mit leeren Händen an. In Ägypten bringt man statt Wein und Blumen besser Obst und Schokolade mit, also gehen wir zu einem der besten Süßigkeitenhersteller am Talat Harb und ich kaufe ein Kilo Schokopralinen in einem hübschen Karton, kitschig verpackt, wie das eben so sein muss.
Teil III folgt morgen ich bin jetzt zu müde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen